Ziel des Projekts war die Identifizierung von alpinen Einzugsgebieten, die unerwartet heftig auf Starkniederschläge reagieren. Solche Gebiete speichern grosse Mengen Wasser und haben deshalb eine verzögerte Abflussreaktion. Wenn diese Speicher jedoch während der Hochwasserbildung stark entwässert werden, kommt es zu sehr viel stärkeren Abflussreaktionen.
Im Einzugsgebiet des Schächen wurden mehrere Quellen beobachtet. Ausserdem wurde die geohydrologische Charakterisierung von Berghängen und Tali untersucht. So konnten wir Gebiete identifizieren, die mit unterschiedlich starker Verzögerung auf Regenfälle reagieren. Dabei hat sich ergeben, dass steile Hänge mit tiefen Böden sowie Talus-Gebiete eine stark verzögerte Abflussreaktion aufweisen können. Messungen zeigten grosse Unterschiede in der Lage der Felsoberfläche an den verschiedenen Stellen, mit bis zu 100 Metern Tiefe an einem Talus.
Zusätzlich wurden Messungen an einem steilen Kriechhang durchgeführt. Dieser Hang konnte mit einer der beobachteten Quellen in Verbindung gebracht werden, deren Spitzenabfluss erst nach Ende des Regens erfolgt. Es wurden Löcher für Grundwassermessungen in das Fundament gebohrt und Bodenfeuchtesensoren installiert. Das Verhalten des Hangs bei extremen Regenfällen, wie sie nur alle 100 Jahre natürlich vorkommen, wurde bei einem Beregnungsversuch untersucht, bei dem mehr als 500 mm künstlicher Regen zum Einsatz kam. Das Experiment bestätigte die hohe Speicherkapazität solcher Steilhänge. Um die der verzögerten Reaktion zu Grunde liegenden Mechanismen zu verstehen, wurde ein numerisches Modell des Hangs mit HydroGeoSphere aufgestellt. Die Ergebnisse zeigen, welche Rolle Boden und Grundwasserkörper für den verzögerten Abfluss spielen. Der Boden dient als erster Puffer und verlangsamt das Einsickern ins Grundwasser, von wo aus es nur langsam abfliesst. Die Interaktion dieser Prozesse ist für die Verzögerung des Spitzenabflusses verantwortlich.
Die erworbenen Erkenntnisse flossen in ein Kartierungsverfahren ein. Die entwickelten Karten unterscheiden zwischen Bereichen mit verschiedenen Speicher- und Abflussmerkmalen. So können die abweichenden Hochwasserabflussreaktionen der untersuchten Einzugsgebiete ausgewertet werden. Die Karten dienen als Input für das entwickelte Qarea+-Modell. Dieses Modell befasst sich mit den unterschiedlichen Speichern und berücksichtigt dabei bewusst langsame Abflussvorgänge. Dafür wurden die Abflussreaktionen des Schächen und des Hinterrheins modelliert. Die Kartierungs- und Modellierungsinstrumente waren tatsächlich sehr gut in der Lage, die verzögerte Abflussreaktion des Schächen und die starke Abflussreaktion des Hinterrheins zu erklären.
Innerhalb des Projekts wurden drei Gruppen von Einzugsgebieten identifiziert: (1) Einzugsgebiete wie das des Hinterrheins verfügen über einen grossen Anteil an Bereichen mit einer schnellen Reaktion, die für den Hochwasserspitzenabfluss entscheidend sind. Diese Gebiete reagieren vorhersehbar. (2) Einzugsgebiete wie das des Schächen verfügen über einen grossen Anteil an Bereichen mit einer verzögerten Reaktion, die nach ergiebigen Regenfällen zum Hochwasserabfluss beitragen. Bei stärkeren Regenfällen ist hier mit einem deutlichen Anstieg der Abflüsse zu rechnen. (3) Einzugsgebiete wie das Dischma: Ein kleiner Anteil schnell reagierender Bereiche wird von einer grossen Anzahl an Bereichen mit extrem verzögerten Abflüssen ergänzt. Ihr Hochwasserabfluss ist stets deutlich gehemmt und reagiert daher nicht sehr empfindlich auf Starkniederschläge.
Das Projekt leistete einen Beitrag zum Verständnis relevanter Bildungsprozesse von Hochwasserabflüssen und dient so der Identifizierung von Einzugsgebieten des Typs 2, die in Zeiten starker Regenfälle kritisch sind.
Empfindlichkeit des Hochwasserabflusses auf Veränderungen der meteorologischen Rahmenbedingungen in alpinen Einzugsgebieten (SAC-FLOOD).